...weil du echt sein willst!
Du wirst heimgesucht von dem Wunsch, echt zu sein, dich nicht mehr
künstlich zu verhalten, nicht mehr an deine Wirkung zu denken. Du willst
dich nicht mehr zurücknehmen, aus Angst, nicht verstanden zu werden
oder zu verletzen.
Du willst nicht mehr Worte sagen, die du nicht meinst, und nicht mehr
ein Gesicht anlegen, das dich verkrampft. Du willst nicht mehr die
Verkleidungen, die Masken und das Schauspiel. Du willst du selbst sein,
ganz entspannt, ein Mensch unter Menschen.
Und du fragst dich, ob für dich Platz ist in der Welt, für dich, so wie du bist.
Du willst die Spiele nicht mehr mitmachen, bei denen du unecht sein
musst und dich von dir selbst entfernst. Bei den Spielen, die so heißen:
Ich merke nichts, Ich habe ein dickes Fell, Jeder muss immer glücklich
wirken, Ich bin die Beste, Ich bin der, den keiner liebt. Du wehrst dich
Gegen die Verzerrung des eigenen Wesens, gegen die Harmonie um jeden
Preis, gegen die Spiele der Entwürdigung.
Wenn du tust, was du nicht bist, wächst eine stille Abneigung dir selbst
gegenüber. Wenn du mit dir machen lässt, was dir fremd ist, beginnst du
dich zu verachten. Wenn du echt wirst, auch wenn es schmerzt, dich und
andere, dann hat das tiefe Glück eine Chance.
Du suchst nach einer tiefen Begegnung, in der auch dein innerstes Wesen
eingeladen ist, sich zu zeigen. Wo du selbst erkennst, wie du bist in
dem Spiegel des anderen, und dein Gegenüber sich selbst ebenso begegnet,
in dem Wunder des offenen Auges, wach in Schmerz und Glück.
Es gibt andere wie dich, die auch suchen und dich entdecken wie du sie.
Du spürst, dass du einen Kern hast, ein inneres Wesen, wo du wirklich du
selbst bist. Handlungen und Gedanken, die aus diesem Kern kommen, sind
gefüllt mit dir, mit deinen Handlungen und Gedanken.
Du spürst auch, dass dein Kern noch entwickelt werden kann, dass deinem
Wesen noch viel Unechtes anhängt. Wer bin ich?, fragst du Und
entscheidest dich, dir nachzugehen, dich auszustrecken nach dem, was du
sein könntest.
Du bist umgeben von einer Welt, die dich oft lieber in einer hat und
nicht in der Kantigkeit deines Echtseins. Man wünscht dich warm und
anschmiegsam. Du sollst nicht auffallen. Man bietet dir an, die kleinen
Lügen zu leben, die alles erleichtern. So bist du angesehen und beliebt.
Aber es gibt auch die, die glücklich sind, wenn sie auf deine Echtheit
stoßen, die sie ermutigt, selbst auch echt zu sein.
Können wir einander Anstoß sein, das Versteck spielen aufzugeben? Wollen
wir echt werden und das Eis, das unsere Herzen umlagert, schmelzen?
Gerade weil du echt sein willst, entdeckst du ungeahnte Seiten an dir.
Da gibt es still Leuchtendes, das nur dem Bedächtigen sichtbar wird.
Auch Dunkles ist da. Es ist ein Hintergrund, der wie ein erschreckender
Abgrund wirkt. Und wie eine immer kleinere Puppe in der Puppe sind deine
Gedanken in Gedanken verschachtelt: In dir stecken Kräfte, die
ermutigen und befremden, stören und befreien, beglücken und verletzen.
Du bist vielschichtiger, einsichtiger, erstaunlich anders und viel mehr, als du dachtest.
Manche finden dich komisch, weil du echt sein willst und bereit bist, dafür einen hohen Preis zu zahlen.
Sie haben sich selbst schon so weit verlassen, dass sie ihr eigenes Wesen aus den Augen verloren haben.
Es befremdet sie, dass ein Mensch sich selbst sucht und Sehnsucht nach dem hat,
was er in sich nur ahnt.
Nur wenn du echt bist, hast du letztlich Frieden mit dir selbst. Sonst zerstörst du dich im Kampf gegen dich selbst.
Vorsichtig begibst du dich in ein Gespräch Und hoffst, dass dein
Gegenüber an deinen tiefen Seiten interessiert ist. Du trägst
Kostbarkeiten in dir Und bist nicht willig, sie vor irgendwem
auszubreiten wie billige Ware.
Dein echtes Wesen in seiner Tiefe ist dein Geschenk an den anderen. Dein
Herz offenbarst du nur denen, die selbst ein Herz haben und bereit
sind, es zu zeigen.
Weil du echt sein willst, brauchst du Zeit für dich. Echtheit entsteht nicht im Hasten und Jagen.
Du brauchst Stunden der Selbstprüfung, des Fragens und Suchens: Was
willst du und was nicht? Du hast Tage nötig, die der Entdeckung deines
Inneren gewidmet sind. In Zeiten der Leere Kann etwas in dir wach
werden. Du brauchst Stille, um deine tiefen Wünsche wahrzunehmen und sie
ernsthaft zu verfolgen.
Weil du echt sein willst, wirft man dir vor, dass du nur an dich selbst
denkst und begreift dabei nicht, dass wir einander nur so weit finden,
wie wir uns selbst gefunden haben.
Wir überwinden die tiefe Kluft zum anderen nur über die Brücke der Selbsterkenntnis.
In dem Maße, wie wir uns selbst verstehen, werden wir einander
verstehen. Weil du echt sein willst. fällt dir jede Unechtheit stärker
auf. Du bist wacher für das Künstliche, für die kleinen Täuschungen. Du
durchschaust die leeren Worte, erkennst deine eigene Grimasse und hörst
das übertriebene Lachen, hinter dem ein Mensch seine Enttäuschung
versteckt.
Wenn du dir dann vorstellst, wie es sein könnte, wenn wir alle echt wären
und einander in die Augen sehen könnten, dann leidest du daran, dass wir
noch so weit entfernt davon sind. Aber ist es nicht ein Ziel, für das
sich zu leben lohnt? Jeder kann bei sich beginnen.
Sei dem treu, was in dir entsteht und lebe nicht nach den Werten anderer.
Was du bist, hast du zu geben. Deine Echtheit ist dein Beitrag, nicht
deine Fähigkeit. die anderen nachzuahmen und so zu leben wie sie.
Wenn du echt sein willst, musst du lernen, „nein“ zu sagen zu dem, was
dich erstickt. Dann wirst du zu dem finden, was dir entspricht und darin
aufblühen.
Weil du echt bist, wirkst du anziehend. Mit dir weiß man, woran man ist.
Was du sagst, meinst du. Was du glaubst, lebst du. Wenn du schweigst,
ist es kein Trick, mit dem du etwas erreichen willst. Du wirkst
befreiend.
Es ist nicht schwer, dich im ersten Augenblick zu lieben. Manchmal ist
es schwerer, dich weiter zu lieben, wenn du echt bleibst. Und noch
schwerer ist es, dich zu ermuntern, echt zu bleiben, auch wenn du andere
verletzt und ihnen wehtust.
Echt sein heißt, aufrecht gehen, sichtbar werden in dem Grau, sich
erinnern an Träume und Hoffnungen und nicht aufgeben im Kampf gegen die
Mittelmäßigkeit.
Echt werden ist wie eine Heimkehr zu uns selbst.
Wieder da sein, wo wir begonnen haben, das Paradies noch einmal bewohnen, diesmal bewusst.
Uns nicht mehr vertreiben lassen von der Seite Gottes, der in uns wohnt.
- U. Schaffer -
Dem Dummen fällt es leichter zu glauben, anstatt zu lernen! Darum
entscheidet sich der Dumme immer für den Glauben und nicht für das
Wissen!
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