WENN DER MOB TOBT...
Oliver Jeges
Wer den ewigen Konflikt im Nahen Osten verstehen will, muss nicht in alten Folianten blättern, wissenschaftliche Studien bemühen
oder dicke Politikfachjournale wälzen. Auch die Analysen von Wolf
Blitzer, Jörg Armbruster und Peter Scholl-Latour kann man für einen
kurzen Augenblick getrost ignorieren, wenn es um das Urproblem zwischen
Juden und Arabern geht. Es reicht vollkommen, einen Schritt vor die Türe
zu tun, und mit offenen Augen und wachem Blick durch europäische Städte
zu spazieren.
Denn
spätestens im Jahr 2014 ist der Konflikt zwischen Israel und den
Palästinensern in deutschen, französischen, britischen, österreichischen
und holländischen Straßen angekommen. Nach den tragischen Todesfällen
von drei jüdischen und einem palästinensischem Jungen im Heiligen Land
vor wenigen Wochen, und insbesondere seit der Bodenoffensive Israels im
Gazastreifen, demonstrieren zahlreiche Palästinenser-Sympathisanten in
europäischen Metropolen für ihre Anliegen. Man möchte meinen, es gehe
ihnen um Frieden, um eine Lösung des Konflikts, um ein Ende der
Feindseligkeiten.
Doch wer den Spektakeln beiwohnt, ob nun in
Berlin, Essen, London oder Paris, sieht nichts als einen wütenden Mob.
Eine aufgehetzte Menge, die ihrer Wut freien Lauf lässt. Ein
Sammelsurium aus Türken, Arabern, Migrationshintergründlern, Linken,
Rechten, Bio-Deutschen, Weltverbesserern, Orient-Romantikern und
Wahnmachlern, einzig vereint im Hass gegen die “zionistischen
Unterdrücker”. Ein Aufruhr wegen eines Landes, das von Berlin aus
dreitausend Kilometer entfernt liegt, eingekeilt zwischen Mittelmeer und
Totem Meer.
Egal, in welche Pro-Gaza-Demo zwischen Innsbruck und
Neukölln man stolpert, das Bild ist immer das selbe. Auf der einen
Seite eine von Hass, Mordfantasien und Rachedurst getriebene
Menschenmasse, die, Hamas- und Isis-Flaggen schwingend, die Juden ins
Meer treiben möchte. Sie skandieren Parolen wie “Jude, Jude, feiges
Schwein, komm heraus und kämpf allein!” und halten selbstgebastelte
Schilder mit Sprüchen wie “Tod den Juden!” oder “Juden sind Bestien” in
die Höhe.
Viele Anti-Israel-Demonstranten leugnen den Holocaust,
haben auf ihren Plakaten das Hakenkreuz in den Davidstern hineingemalt
und bedauern, dass Hitler sein Werk der Endlösung vor siebzig Jahren
nicht vollendet hat, denn dann gebe es ja heute bekanntlich keine
Probleme in Nahost. Man würde gerne wissen, wie Holocaustleugnung und
Hitlers nicht zu Ende gebrachte Judenvernichtung zusammenpassen, aber
logisch und rational geht es auf diesen Versammlungen auch nicht zu. Es
sind zwar nicht alle, die auf den Pro-Gaza-Demos Sprüche klopfen, die
unter Strafe stehen. Aber jeder, der dort mitläuft, nimmt den erhofften
Genozid am jüdischen Volk zumindest billigend in Kauf. Es sind Bilder,
die an das traurige Jahr 1933 erinnern.
Auf der anderen Seite
dieser völkischen Aufwallungen stehen einige wenige Israel-Freunde und
halten mutig dagegen, nur durch die Polizei vor gewalttätigen
Übergriffen der Gaza-Protestler geschützt. Ruhig und besonnen stehen sie
da, mit Schildern auf denen steht “Israel wants Peace” oder mit blauen
Davidsternfähnchen die harmlos im Sommerwind flattern. Es sind
sympathische Gesichter, in die man dort blickt, Gesichter, die nicht von
Zorn gezeichnet sind, sondern lediglich von Sorge und Leid.
Während also auf der einen Seite Terrorgruppen wie dem “Islamischen
Staat”, der Hisbollah und der Hamas gehuldigt, und den Juden der Tod
gewünscht wird, wollen die Israel-Sympathisanten nichts als Frieden. Das
alleine zeigt bereits, wie die Verhältnisse nicht nur in Europa,
sondern auch zwischen Hebron und Jerusalem, und von Ashdod bis Ramallah
gelagert sind.
Doch es bleibt nicht nur bei mehr oder weniger
harmlosen Demos. Bei fast allen Kundgebungen in den vergangenen Tagen
kam es trotz Polizeiaufgebots zu tätlichen Ausschreitungen, die immer
und ausschließlich von Seiten der Gaza-Anhänger begangen wurden. Bei
einer Gaza-Demo im österreichischen Innsbruck wurde eine
Israel-Symathisantin von einem Mann niedergeschlagen. In Paris
attackierten Teilnehmer zwei Synagogen. In Berlin eskalierte die
Situation, als einige Gaza-Demonstranten einen Mann mit einer Kippa
sahen. Darauf drohten die Männer dem Kippaträger “Scheiß Juden, wir
kriegen euch!” und “Wir bringen euch um!”. In Göttingen kam es zu
Jagdszenen, Araber liefen hinter einer friedlichen Gegendemonstrantin
her, die sie schließlich einholten und mit Faustschlägen und Fußtritten
auf sie einschlugen.
Es sind Szenen, die man derzeit in jeder
europäischen Großstadt erlebt. Vor allem aber handelt es sich dabei um
kollektive Wutausbrüche, die einzig und allein die Juden zum Feindbild
haben, und von denen man dachte, sie wären nach 1945 in Europa unmöglich
geworden. Früher brüllten die Nazis “Juda verrecke”. Heute sind es die
Pro-Palästinenser, die den rhetorischen Galgen knüpfen, an dem sie so
gerne ihre semitischen Brüder baumeln sehen würden.
Mitten in
Europa grassiert der Judenhass so brutal und so erkennbar, wie seit dem
Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr. Und wieder schauen alle nur zu.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen